Wie das AMRAP-Prinzip den Alltag verändert

Jason Khalipa ist eine Legende im CrossFit. Und das nicht erst, seit er am diesjährigen Rogue Invitational die «Legends Division» bei den Herren gewann. Der achtmalige CrossFit Games-Teilnehmer und Sieger der 2008er-Spiele hat mit seinem Buch «Das AMRAP-Prinzip» einen Trainings-, Business- und Lebensratgeber publiziert. Und dieser gewährt spannende und rührende Einblicke in die Höhen und Tiefen von Khalipas Leben.


Text Matthias Mehl

Wer Jason Khalipa aus Interviews oder Reportagen über seine CrossFit-Karriere kennt, sieht einen meist aufgestellten Menschen vor sich. Einen, der durch seine positive Art in Erinnerung bleibt. Auch auf dem deutschen Cover seines Buches «Das AMRAP-Prinzip» sieht man den CrossFit Games-Veteran lächeln.

Doch bereits beim Vorworts seine Buches realisiert man, dass der Rahmen der nachfolgenden Geschichte alles anderes als heiter ist. Der Titel «Der Tag, an dem sich alles änderte» gibt an sich noch keinen Aufschluss über die Tragik der folgenden Seiten. Doch diese wird schnell ersichtlich, denn Khalipa nimmt die Leser mit auf eine Zeitreise zurück zum 21. Januar 2016. In den frühen Morgenstunden dieses Donnerstags erfahren Jason Khalipa und seine Frau, dass ihre vierjährige Tochter Eva an Leukämie erkrankt ist.

Ein neuer Fokus

Wie viele Aspekte sich im Leben aufgrund einer solchen Diagnose für immer verändern, kann man kaum abschätzen. Einer dieser vielen Aspekte war sein Motiv, das Buch zu schreiben. Denn mit der Arbeit daran hatte er bereits vor der Schicksalsnacht im Januar begonnen. «Ursprünglich wollte ich nur ein wenig von dem Unsinn richtigstellen, den man in der Abteilung Business-Ratgeber von Flughafenläden so findet», heisst es im Vorwort von «Das AMRAP-Prinzip». Der Gedanke, durch harte Arbeit sowohl als Sportler als auch als Unternehmer erfolgreich zu sein, stellte von Anfang an den roten Faden seines Buches dar. Aufgrund der Leukämieerkrankung seiner Tochter habe sich aber der Ansatz von «Ich will gewinnen!» zu «Ich muss gewinnen!» verändert. Dementsprechend sei es für ihn zu einem noch grösseren Anliegen geworden, den Leuten sein AMRAP-Prinzip näherzubringen.

Was also genau ist das AMRAP-Prinzip? Die meisten CrossFitterinnen und CrossFitter dürften mehr als nur ein bisschen vertraut sein mit diesem Trainingsansatz: Innerhalb einer vorgegebenen Zeit sind gewisse Übungen zu absolvieren. Das selbstgesteckte Ziel der Athletinnen und Athleten sollte darin bestehen, die Trainingszeit so intensiv wie möglich zu gestalten und damit so effektiv wie möglich zu nutzen. Jason Khalipa überträgt dieses Prinzip auf andere Aspekte des Lebens, insbesondere den Business-Sektor. Aus dem AMRAP-Gedanken leitet er verschiedene Handlungsanweisungen ab, die er im Rahmen einzelner Kapitel vertieft. Das Ganze findet seinen Anfang mit «Mache dir deine Motivation klar», geht dann weiter zu «Konzentriere dich auf das, was du verändern kannst» und findet nach einigen weiteren Punkten seinen Abschluss mit «Bewerte die Lage neu, wenn nötig».

Was kann ein Buch bewirken?

Ich bin eigentlich kein Freund von Ratgebern. Denn immer wieder scheint es mir so, als ob man in diesen Büchern zwar elementare, aber gleichzeitig auch sehr triviale Wahrheiten behandelt. Wie man Motivation oder Mut findet, neue Ideen erarbeitet und so – im Idealfall – ein glückliches Leben führt, ist meines Erachtens von so vielen individuellen Aspekten abhängig, dass man diesen im Rahmen eines Buches nicht gerecht werden kann.


Aber wahrscheinlich ist das auch eine unfaire Erwartungshaltung meinerseits. Und natürlich kann auch Jason Khalipa mit seinen Einsichten und Ausführungen nicht einen entscheidenden «Aha»-Moment herbeiführen, der das Leben der Leserinnen und Leser massgeblich verändern wird. Das muss er aber auch gar nicht. Denn was ihm mit dem AMRAP-Prinzip durchaus gelingt: Er schlägt eine Brücke zwischen Training und Alltag. Indem er Situationen und Handlungsempfehlungen aus dem Sport aufgreift und diese auf Alltagssituationen überträgt, schafft er es, die Lesenden regelmässig zu überraschen – und zum Nicken zu bringen. Damit eignet sich das Buch besonders gut für diejenigen, die mit den Erlebnissen vertraut sind, die man in einer Box oder einem Functional-Fitness-Gym macht (und das dürfte der Grossteil der Zielgruppe dieses Buches sein).

Total ehrlich

Die Ratschläge, die Khalipa in seinem Buch gibt, sind also durchaus nützlich – natürlich kommt es aber auf die individuellen Umstände an, wie viel man davon mitnehmen kann. Da Khalipa selbstständiger Unternehmer ist, eignen sich seine Tipps vor allem für Leute, die ebenfalls mit der Gründung eines eigenen Unternehmens liebäugeln oder sich bereits in diesem Prozess befinden.

Ein weiterer Punkt, der das Buch auszeichnet, ist die Authentizität seines Verfassers: Khalipas Handschrift ist in jedem einzelnen Kapitel deutlich zu erkennen. Die Anekdoten aus einem Privatleben, seiner Sportkarriere sowie seinen Erfolgen und Misserfolgen in Schule und Beruf sind ehrlich und unterhaltsam. Sprachlich ist das Ganze manchmal etwas krude, aber das lässt sich bei Übersetzungen aus dem Englischen nur sehr schwer vermeiden.

Alles in Allem ist Jason Khalipas «Das AMRAP-Prinzip» vor allem für Freunde der Functional Fitness ein unterhaltsamer Ratgeber, der nicht zuletzt aufgrund seiner ehrlichen und authentischen Geschichte in Erinnerung bleibt. Es ist KEIN CrossFit-Handbuch, sondern stellt den Sport in einen viel grösseren Kontext – das Leben.

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